Leben schützen, Würde wahren

“Sagen Sie bitte, dass Drogenabhängige keine schlechten Menschen sind!” Diakon Michael Linden kommt der Aufforderung eines Besuchers gerne nach. “Nein, das sind sie keineswegs.” Beim Drogentotengedenktag in der Neusser Innenstadt im Schatten des Münsters St. Quirinus hat die Caritas mittags am Markt ihren Streetwork-Bus BERATUNG MOBIL geparkt und Betroffene, Interessierte und zufällig vorbeischauende Bürger_innen zu einem Miteinander und Innehalten eingeladen.
“Wir wollen heute an diejenigen erinnern, die im Schatten gestanden und ein schweres Schicksal nicht überlebt haben”, sagt Benjamin Lampa, Caritas-Vorstand im Rhein-Kreis Neuss, zur Begrüßung. Philipp Alfken, Fachbereichsleiter Suchtkrankenhilfe bei der Caritas, erläutert die Hintergründe zum Gedenktag: “Der 21. Juli ist der bundesweite Gedenktag für verstorbene Drogengebraucher_innen. Menschen erinnern an ihre verstorbenen Angehörigen, Freundinnen und Weggefährt_innen, die an den Folgen des Drogenkonsums oder drogenpolitischer Versäumnisse gestorben sind.”
Eine gute Nachricht verkündet mit Blick auf die Drogenpolitik der Stadt Neuss Ursula Platen. “Das Kontaktcafé für betroffene Menschen an der Rheintorstraße 30 wird noch in diesem Jahr eröffnet”, so die Dezernentin für Jugend, Bildung und Kultur bei der Stadt Neuss. Die Caritas wird diese niederschwellige Anlaufstelle für Drogenabhängige und Wohnungslose betreiben, in der u.a. die Möglichkeit zum Duschen und Wäschewaschen gegeben sein wird.
Nach Gedenkworten von Diakon Linden, einem Innehalten, dem Verlesen der unlängst verstorbenen Drogenabhängigen und einem Gebet rücken die Besucher_innen der Gedenkstunde näher an den Pavillon. Dort warten kühle Getränke, Waffeln, Gespräche im geschützten Raum, ein Kondolenzbuch - und Schmetterlinge. Die Papier-Falter werden beschriftet mit guten Wünschen und Botschaften an die Verstorbenen wie “Lieber Dieter, wir vermissen dich sehr!” und im Anschluss auf ein farbenprächtiges Himmelsbild auf der Staffelei geklebt.
Im Austausch werden weitere soziale Themen bei Apfelschorle und Mineralwasser ausgetauscht, beispielsweise die Versorgung Obdachloser in der Neusser City mit Essen, Getränken und einer immer unbarmherziger brennenden Sonne in Zeiten des Klimawandels. Oder die immer noch spürbaren Folgen der Corona-Pandemie, die vor allem im psychischen Bereich bei vielen Menschen Spuren hinterlassen hat. Das Streetwork-Team der Caritas nutzt ferner die Gelegenheit, sich umzuhören: Was brauchen suchtkranke Menschen? Was brauchen Angehörige? Und wie können Städte, Kommunen und Gesellschaft dazu beitragen, dass Leben geschützt und Würde gewahrt bleibt?
Diesen Austausch sucht beim Gedenktag auch Barbara Albrecht, Leiterin des Gesundheitsamtes Rhein-Kreis Neuss. „Eine würdevolle Veranstaltung. Der Rhein-Kreis Neuss ist froh, in der Sucht- und Drogenhilfe mit der Caritas einen kompetenten Partner zu haben“, betont die Neusser Amtsärztin.
Am Ende des Neusser Drogentotengedenktags ein weithin hörbares DANKE aus der Runde für die Möglichkeit, gemeinsam an gute Freunde erinnert zu haben, der Trauer Ausdruck verliehen worden ist und mit der Hoffnung auseinander gegangen zu sein, dass in einer Gesellschaft mit solch einer Haltung niemand an den Rand gedrängt wird.