Niederschwellig Hilfe anbieten

“Hier kannste einfach mal hinkommen.” Kreisdirektor Dirk Brügge hat es bei der Vorstellung des Netterzentrums salopp auf den Punkt gebracht: Das neue Caritas-Angebot an der Nettergasse 37a in Dormagen bietet niederschwellig Beratung und Hilfe an für Menschen mit besonderen sozialen Schwierigkeiten.
In der Talk-Runde, moderiert von der Sozialarbeiterin Barbara Dannhäuser, hatte Hermann Josef Thiel in der Begrüßung der rund 50 geladenen Gäste genau auf dieses Merkmal hingewiesen: “Das Besondere an unserer Fachberatung ist die angegliederte Kontaktstelle. Hier finden die Betroffenen einen Ort der Ruhe vor dem stressigen und oft bedrückenden Alltag”, so der Vorstandsvorsitzende der Caritas im Rhein-Kreis Neuss.
Dass es insbesondere um Menschen geht, die nachts kein Dach über dem Kopf haben oder von Wohnungslosigkeit bedroht sind, machte der Dormagener Bürgermeister Erik Lierenfeld deutlich. Zwar habe die Stadt seit der Gründung einer Baugesellschaft vor knapp vier Jahren rund 200 Wohnungen geschaffen. Dennoch räumte der Bürgermeister selbstkritisch Versäumnisse ein, was die Bereitstellung bezahlbarer Mietwohnungen betrifft. Um die im Regen stehende Klientel abzuholen und die soziale Schieflage abzufedern, sei die neue Caritas-Einrichtung in der Stadt ein Segen.
Warum auch eine mittelgroße Stadt wie Dormagen mit rund 65.000 Einwohnern zunehmend Probleme mit dem Thema Wohnungslosigkeit bekommen hat, erläuterte Pastor Heribert Lennartz von der Pfarrgemeinde St. Michael Dormagen, die Haus und Grund für das Netterzentrum bereitgestellt hat. So sei Dormagen zunehmend als attraktive Wohnstadt zwischen Metropolen wie Düsseldorf und Köln in den Fokus von Immobilientreibenden geraten, was die Mietpreise in schwindelerregende Höhen getrieben hat.
Pastor Lennartz berichtete von immer mehr Bedürftigen, die bei ihm anklopften. Sowohl der Gottesmann als auch Hermann Josef Thiel betonten die gute Zusammenarbeit Kirche/Caritas mit gleicher christlicher Ausrichtung: Nächstenliebe, Barmherzigkeit und Fürsorge für die Schwächeren. Thiel: “Wir sind Lotse, nehmen die Menschen an die Hand und wollen helfen.”
Die Vertreter von Ministerium und Behörde machten bei der Eröffnungsfeier aus ihrer Begeisterung für die soziale Idee hinter dem Netterzentrum keinen Hehl. “Hier werden die Ansätze aus unseren Kümmerer-Projekten für die Wohnungsnotfallhilfe vorbildlich umgesetzt”, sagte Jürgen Thomas, der sich im NRW-Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales (MAGS) die Bekämpfung von Obdach- und Wohnungslosigkeit auf die Fahnen geschrieben hat. Bei der neuen Caritas-Fachstelle sei der Hebel in puncto Armutsbekämpfung und Sozialplanung goldrichtig angesetzt, brachte es Dr. Frank Nitzsche, Abteilungsleiter in der Landesgesellschaft G.I.B. NRW, auf den Punkt. Andreas Zimmermann vom Kostenträger Landschaftsverband Rheinland stellte heraus, wie sinnvoll das ins Netterzentrum investierte Geld der öffentlichen Hand angelegt und wie nachhaltig die Angebote in dieser neuen Einrichtung sind.
Dass es sich mit dem Netterzentrum nicht um ein bloßes Konstrukt aus der Sozialverwaltung handelt, vielmehr die Einrichtung praxisnah Menschen aus Fleisch und Blut zugute kommt, arbeitete Rebecca Heinze, Mitarbeiterin des Ambulant Betreuten Wohnens (ABW), in ihrem Interview mit einem ehemaligen Wohnungslosen heraus. Das Schicksal des Klienten, der nach fünf Jahren auf der Straße dank der Caritas-Unterstützung wieder Fuß gefasst und seine Probleme in den Griff bekommen hat, gab allen Gästen ein gutes Gefühl für die neue Einrichtung mit auf den Nachhauseweg. Dazu passte am Ende bei Käsebrötchen und Bionade ein Bob-Dylan-Song der Caritas-Band FaKt mit Oliver Joeres (Gitarre, Mundharmonika, Gesang) und Marius Brings (Gitarre, Gesang): Knockin’ On Heaven’s Door.